Offener Brief an die Diözesanbischöfe

Entwickelt sich die Weltsynode letztlich zu einer Inhouseveranstaltung?

Das römische Papier macht ein Angebot Papst Franziskus hat die ganze Kirche eingeladen, sich Gedanken zu machen, zuzuhören, das Wort zu ergreifen, teilzuhaben, gemeinsam zu gehen – und dabei für Überraschungen offenzubleiben. Alle – „in erster Linie“1 die Getauften, sowie jede*r „ganz gleich welchen Glaubens“ sollen Gelegenheit haben, „das Wort zu ergreifen und angehört zu werden, um zum Aufbau des Reiches Gottes beizutragen.“ Wir sollen uns „eine andere Zukunft für die Kirche und für ihre Institutionen vorstellen (…)“ mit dem Ziel, ein „gemeinsames Haus“ [die Kirche] neu aufzubauen für das dritte Jahrtausend. Sein Instrument ist eine Weltsynode. Das ist für eine Institution mit ca. 1,3 Milliarden Mitgliedern ein ambitioniertes Vorhaben. Wie soll so etwas möglich sein? Dies kann nur für möglich halten, wer überzeugt ist, dass die Geistkraft im Volk Gottes wirkt und der Kirche den Weg für das 3. Jahrtausend zeigt!


Maria 2.0 ist zum Dialog offen und bereit
Maria 2.0 begrüßt die Idee von Papst Franziskus, das Volk Gottes ernst zu nehmen. Deshalb bringt sich Maria 2.0 gerne in diesen Prozess ein, indem sie als Graswurzelbewegung und durch Einzelne das Wort ergreift, um angehört zu werden.
Maria 2.0 sieht sich im Anliegen mit Papst Franziskus verbunden, das Evangelium glaubhaft und laut zu verkünden, zum Aufbau des Reiches Gottes beizutragen und die Zukunft in einer jesuanischen Kirche zu sehen. Das wird Einiges an Gewohntem und Besitzständen auf den Kopf stellen.
Maria 2.0 befürchtet eine weitere Zementierung des Klerikalismus
Für Maria 2.0 bleibt Papst Franziskus allerdings in einem ganz entscheidenden Punkt unklar: Wer ist die „Kirche Gottes“ für den „gemeinsamen Weg“? Er scheint damit nämlich doch nicht alle Gläubigen zu meinen. Vielmehr stehen hier dem „Volk Gottes“ (w, m, d) auf der einen Seite die Vorsteher (m), also die Hirten auf der anderen Seite gegenüber. Papst Franziskus kann hier nicht den Verdacht ausräumen, dass es eben doch „Christen erster Klasse“ gibt, die eben in der „Nachfolge im Bischofsamt das sichere Charisma der Wahrheit empfangen haben“, „mit innerer Einsicht, die aus geistlicher Erfahrung“ stammt,
1 Alle Zitate (dieses und die folgenden) wurden dem Text des Vorbereitungsdokuments „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ (DOCUMENTO-PREPARATORIO-TEDESCO) und dem Vademecum für die Synode der Synodalität entnommen.
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die alleine fähig sind, „durch geistliche Unterscheidung (…) herauszufinden, was der Geist der Kirche sagt“.
Maria 2.0 fordert, dass die nicht Geweihten im Volk Gottes nicht länger strukturell bedingt als Christ*innen zweiter Klasse behandelt werden. Maria 2.0 fordert eine Kirche ohne Herrschende und Beherrschte, ohne Christ*innen erster und zweiter Klasse. Maria 2.0 wendet sich gegen jede Form von Klerikalismus.
Maria 2.0 fordert Teilhabe und Entscheidung
Eine Beteiligung der Laien lediglich als Impulsgeber*innen und nur während der ersten Phase der Weltsynode ist völlig unzureichend. Eine Beteiligung von Frauen in dem zwei Jahre dauernden Prozess ist von Papst Franziskus nicht einmal angedacht, höchstens in Form einzelner, willkürlich berufener Beraterinnen. Maria 2.0 sieht hier – wiederum – eine systemische Diskriminierung von Frauen.
Für Maria 2.0 darf die Entscheidungsgewalt nicht uneingeschränkt, intransparent und unkontrolliert bei den Bischöfen liegen. Umso mehr, als unter denjenigen Bischöfen, die dem Mangel an Glauben und Korruption im Innern der Kirche entgegenwirken sollen, eben auch diejenigen sind, die Machtmissbrauch, sexuellen Missbrauch, geistlichen Missbrauch u.a. mitzuverantworten haben.
Maria 2.0 fordert, dass die Laien – Frauen und Männer – nicht nur am Suchprozess teilhaben, sondern auch alle in die gemeinsamen Entscheidungen einbezogen werden. Denn: Der Glaubenssinn des Volkes Gottes muss als kostbare Quelle für den Erneuerungsprozess der Kirche fruchtbar gemacht werden. Maria 2.0 fordert die Bischöfe und den Papst auf, ihre Macht und ihre Möglichkeiten zu nutzen, um die Mitsprache und das Stimmrecht bei der Bischofssynode auf Laien – insbesondere auch auf Frauen – auszuweiten. Teilhabe und Entscheidung gehören für Maria 2.0 unabdingbar zusammen.
Maria 2.0 fordert einen in allen Bistümern gleichwertigen und ernsthaften Prozess der Konsultation der Gläubigen
Konsultationen, die in einem Bistum im November 2021, in dem anderen im März 2022 enden und in anderen Bistümern gar nicht durchgeführt werden, ermöglichen kein Hören auf den Glaubenssinn des Volkes Gottes – und sind letztlich keine Konsultation! Die Weltsynode kommt so von Anfang an auf eine falsche Spur.
• Maria 2.0 fordert daher die deutschen Bischöfe auf, die erste Phase des synodalen Weltprozesses ernst zu nehmen und die Konsultationsphase in allen Bistümern deutlich zu verlängern. Immerhin ist diese Phase mittlerweile von Papst Franziskus bis zum 15. August 2022 verlängert worden.
• Maria 2.0 fordert die deutschen Bischöfe auf, allen Getauften und Interessierten die Möglichkeit zu geben, das Wort zu ergreifen und angehört zu werden. In allen deutschen Bistümern soll ein ernsthafter und gleichwertiger Prozess der Konsultation des Volkes Gottes erfolgen.
• Maria 2.0 fordert die deutschen Bischöfe auf, sich in Rom dafür einzusetzen, dass bei der weltweiten Synode Lai*innen (m,w,d) während aller Phasen der Weltsynode an der Zukunftsfindung beteiligt werden und an Entscheidungen mitwirken.
• Maria 2.0 fordert die deutschen Bischöfe auf, über die Phasen 2 & 3 (Zusammenfassung der Rückmeldungen vom jeweiligen Bischof für sein Bistum auf 10 Seiten; anschließende Zusammenfassung der Deutschen Bischofskonferenz auf ein 10seitiges Gesamtdokument für die deutsche katholische Kirche) transparent zu informieren – auch darüber, wie die einzelnen Stellungnahmen inhaltlich berücksichtigt wurden. Das Volk Gottes darf nicht ausgeschlossen werden. Ergänzend zu den Freitextantworten wäre eine weltweite, geheime und gleichberechtigte Abstimmung Aller zu den wohlbekannten Schmerzpunkten als „Stimmungsbarometer“ mehr als nur wünschenswert.
Maria 2.0 bringt sich in die Konsultation ein und antwortet auf einige der 10 Themenfelder

1. Wir sind gemeinsam auf dem Weg mit gleicher Würde und gleichen Rechten als Menschen, die eine bessere Welt für möglich halten. Gleiche Würde – gleiche Rechte gelten insbesondere für die, die gesellschaftlich ins Abseits gestellt werden und die im Wertekanon der Kirche nicht „den Normen“ entsprechen: Menschen aus prekären Lebensverhältnissen oder Familiensituationen mit Brüchen; Menschen, die als „anders“ gelten – beispielsweise aufgrund ihrer Bildung, Hautfarbe oder sexuellen Orientierung; Menschen, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht auf Augenhöhe stehen; und immer noch Frauen, die wirkliche Gleichberechtigung einfordern.

2. Aktives Zuhören und Dialog sind in unserer Kirche nicht geübte Fähigkeiten, vielleicht auch nicht gewollte. Noch immer gilt: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Beispiele dafür sind die göttliche Berufung von Frauen zum Priesteramt und eine auf Selbstbestimmung und Würde ausgerichtete kirchliche Sexualmoral. Zuhören und Dialog werden (nicht nur, aber auch) von kirchlichen Amtsträgern allzu häufig als schlichte „Ohrgymnastik“ verstanden, bei der das Gesagte weder Kopf noch Herz erreicht. Aktives Zuhören sucht hingegen zu verstehen, was der*die andere wirklich meint, wieso er*sie so denkt und empfindet. Gelingender Dialog ist geprägt von echter Wertschätzung unter Gleichen und führt dazu, voneinander zu lernen und Neues zu schaffen.

3. Maria 2.0 fällt es nicht schwer, das Wort zu ergreifen und für die Botschaft Jesu, christliche Werte und den persönlichen Glauben einzustehen und Verantwortung zu übernehmen mit dem Ansprechen von Problemen, die doch eigentlich auf dem Tisch liegen. Maria 2.0 löst den eigenen Anspruch ein, als Schweigensbrecher*innen, Denker*innen und Expert*innen ambivalenten Fragen von Kirche und Lehre Stimme zu geben. Das sind: Rückwärtsgewandtheit (Diskriminierung von Frauen), Verharren (Ignorieren wissenschaftlicher Erkenntnisse im Bereich der Sexualmoral), Vertuschen (von Missbrauchsfällen zugunsten der klerikalen Seilschaften und Machtstrukturen), Um-sich-selbst Kreisen (statt die, die missbraucht und kleingemacht wurden, in die Mitte zu holen). Maria 2.0 versteht sich als Anwältin für Frauen und Männer, die mutlos geworden sind und die Kirche bereits verlassen haben. Maria 2.0 erhebt die Stimme auch für eigene Töchter und Söhne und nachwachsende Generationen, die unserer Kirche verlorengehen.

4. Feiern und Beten an allen Orten sind für Maria 2.0 selbstverständlich und konstitutiv. Gleichzeitig schmerzt die Engführung, dass nur ein männlicher, zölibatärer Priester der Eucharistie vorstehen kann, dass Berufungen von Frauen und Verheirateten ignoriert werden. Das Priester*innenbild in der katholischen Kirche gehört auf den Prüfstand: Zölibat gehört so wenig zum Wesen des Priesteramts wie die Koppelung an ein Geschlecht.

5. Das jeweilige Menschenbild prägt das Gottesbild. (nach Karl Rahner) Das Gleiche gilt für das Sprechen über Gott in Liturgie und kirchlichem Beten. Ein männlich geprägtes Gottesbild wird Gott nicht gerecht.
6. Die Sendung der Geweihten wird in der katholischen Kirche immer über die der Laien gestellt. Das spezielle Priestertum erhält einen Sonderstatus, der den Boden für Klerikalismus bereitet und für Machtmissbrauch jeglicher Art ebnet. Maria 2.0 fordert einzulösen, dass alle durch die eine Taufe zum allgemeinen Priestertum berufen sind, gleichberechtigt Anteil haben und Verantwortung tragen für die Sendung in Kirche und in Gesellschaft. Daraus folgen Demokratisierung, Machtkontrolle und -begrenzung und Gewaltenteilung in den Strukturen der Kirche. Darüber hinaus erwartet Maria 2.0 vom Vatikan endlich die Anerkennung der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen.
Die Überzeugung von Maria 2.0 ist, dass jedes Kind, jede Frau, jeder Mann, jeder Mensch etwas mitzuteilen hat und würdig ist, in der Kirche von Heute und Morgen gehört zu werden. Gelingender Dialog soll dabei begleitet sein von der Freude um das „Mehr“ im Gegenüber und nicht von der Erschöpfung im Kampf seiner*ihrer Abwehr.
Die Kirche des dritten Jahrtausends kann für Maria 2.0 nur eine Kirche sein, die die Botschaft Jesu vom beginnenden Reich Gottes verkündet und lebt, in dem es „nicht jüdisch noch griechisch“, „nicht versklavt noch frei“, „nicht männlich und weiblich“ gibt, weil alle „einzig-einig im Messias Jesus“2 sind.
Maria 2.0 fordert Transparenz
Maria 2.0 erfüllt, wozu die Weltsynode einlädt: Die Bewegung erhebt das Wort und will angehört werden. Maria 2.0 handelt in Verantwortung für alle, die Hoffnung und Mut und Vertrauen verloren haben. Maria 2.0 ist an einem echten Dialog interessiert und will diesen führen. Dazu gehört auch eine Rückmeldung, dass und wie Stellungnahmen gehört wurden, sowie eine Offenlegung der Dokumente aller Bistümer. Diese Transparenz fordert Maria 2.0 für alle Phasen der Weltsynode für sich und für alle, die sich – einzeln oder gemeinschaftlich – an der Weltsynode beteiligen.
Wenn Hören und Voneinander-Lernen sich in Freude begegnen, wenn Dialog die Herzen und Arme weit öffnet, dann finden Ängstliche und Mutige Raum für Traditionen und Visionen, aktuelle Bedürfnisse und Zukunft.

Deutschland, 08.12.2021
Maria 2.0

2 Siehe: Gal 3, 28; Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache